<\/p>\n

So viele Gesichter. Ein Meer aus Augen, die auf ihn gerichtet waren, als w\u00e4re er die neueste Attraktion, ein seltenes Tier in einem K\u00e4fig \u2013 nur dass es keine Gitterst\u00e4be gab. Stattdessen war Rick an seinen Stuhl gefesselt. Vor ihm ein zerkratzter Holztisch, an dem schon viele andere vor ihm gesessenen hatten, die wie er an einem dieser Tage von all diesen Augen angeglotzt wurden. Ricks Finger zitterten, weshalb er sie auf die Oberfl\u00e4che des Tisches dr\u00fcckte und unentwegt anstarrte.<\/p>\n

\u201eHi!\u201c<\/p>\n

\u201eLass mich in Ruhe!\u201c, schoss es aus ihm heraus wie eine Kugel aus einer Pistole und er war selbst erschrocken dar\u00fcber, wie ihm der Finger so leicht \u00fcber den Abzug gerutscht war. Aber die Patrone prallte auf dem Herzen dieses M\u00e4dchens ab wie eine Papierkugel, die jemand aus dem perforierten Rand eines Notizblocks zusammengedr\u00fcckt hatte, am Kopf eines Mitsch\u00fclers abprallt und lediglich etwas Irritation ausl\u00f6st.<\/p>\n

Sie sah ihn nun also etwa genauso irritiert an, als h\u00e4tte er sie mit einer Papierkugel beworfen, machte aber keine Anstalten, ihn tats\u00e4chlich in Ruhe zu lassen, so wie er es von ihr verlangt hatte.<\/p>\n

Was denkt sich die Kleine eigentlich?<\/em>, fragte sich Rick und legte seine anf\u00e4nglichen Gewissensbisse ebenso schnell wieder ab, wie sie aufgetaucht waren. Sie war wohl etwas j\u00fcnger als er, hatte ein einigerma\u00dfen niedliches Gesicht und langes, braunes Haar.<\/p>\n

Sie sah ihn so lange an, bis es ihm unangenehm war. Er schloss seine Augen, stie\u00df einen Seufzer aus und ging allein deshalb auf ihre aufdringliche Art ein, um die Stille zu brechen und nicht etwa, weil er tats\u00e4chlich mit ihr h\u00e4tte kommunizieren wollen.<\/p>\n

\u201eWas willst du?\u201c<\/p>\n

\u201eIch bin Nari.\u201c<\/p>\n

\u201eIch hab dich gefragt, was du willst<\/em> und nicht, wie du hei\u00dft<\/em>.\u201c<\/p>\n

Nari strahlte ihm nur dieses unentwegte Dauergrinsen entgegen, ohne darauf einzugehen, was er ihr schon wieder an den Kopf geworfen hatte.<\/p>\n

\u201eRick.\u201c, brummte er ein wenig reuevoll.<\/p>\n

\u201eDu bist neu hier, oder?\u201c<\/p>\n

\u201eIst das nicht offensichtlich?\u201c<\/p>\n

\u201eSehr sch\u00f6n! Ich bin auch neu.\u201c<\/p>\n

Rick hob \u00fcberrascht die Augenbrauen an. Mit einem Mal war sie wesentlich interessanter f\u00fcr ihn geworden als zuvor. Aber konnte sie ihn deshalb besser verstehen als die anderen auf diesem St\u00fctzpunkt? Wohl eher nicht.<\/p>\n

\u201eWie lange bist du schon hier?\u201c<\/p>\n

\u201eVier Jahre.\u201c<\/p>\n

\u201eDu nennst das neu<\/em>?\u201c, fragte er entt\u00e4uscht und runzelte die Stirn. Nari lachte ihn daraufhin etwas verlegen an und kratzte sich am Kopf. Was f\u00fcr eine seltsame Eigenart war das<\/em> denn f\u00fcr ein M\u00e4dchen?<\/p>\n

\u201eWie alt bist du denn?\u201c, fragte sie ihn unverbl\u00fcmt.<\/p>\n

\u201e14.\u201c<\/p>\n

\u201eNur ein Jahr \u00e4lter als ich.\u201c, stellte sie erleichtert fest und Rick fiel fast vom Glauben ab. Sie verhielt sich wie h\u00f6chstens zehnj\u00e4hrig. War sie irgendwie zur\u00fcckgeblieben oder so was in der Art?<\/p>\n

\u201eTT ist echt superspannend! Am Anfang ist es f\u00fcr dich vielleicht noch etwas verwirrend mit den ganzen Teilchenverb\u00e4nden und Magnetfeldern und Verschiebungen und so. Aber du kommst schon klar, da bin ich mir sicher. Du siehst echt total schlau aus, wei\u00dft du das? Ich meine, nicht wie ein Streber oder so, sondern schon ganz cool und\u2026 ach, was rede ich denn da!? Oh, da kommt ja schon Nick. Das ist unser Lehrer. Ist er nicht cool? Naja, ich muss mich setzen, sonst \u00e4rgert er mich wieder. er ist aber nicht gemein oder so \u2013 nicht dass du jetzt das falsche von ihm denkst! Ach ja, willst du sp\u00e4ter zusammen mit mir \u00fcben?\u201c<\/p>\n

\u201eMeinetwegen.\u201c, knurrte Rick genervt, allein schon damit sie endlich aufh\u00f6ren w\u00fcrde zu reden wie ein Wasserfall.<\/p>\n

\u201eEcht? Das w\u00e4re ja\u2026 ich meine, bis sp\u00e4ter!\u201c<\/p>\n

Endlich war sie wieder weg. Dieses M\u00e4dchen hatte wirklich ein paar ernsthafte Probleme. Aber gut, die hatte Rick ja schlie\u00dflich auch. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, erstmal zusammen verplant zu sein.<\/p>\n

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(c) Julian Jungermann<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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